Hauptseite

Wie ich als ausgewiesener Schützer der deutschen Verfassung, des Grundgesetzes, und überzeugter Demokrat zu dem Vertrag von Lissabon stehe, habe ich an dieser Stelle schon des öfteren erklärt und auch mit vielen Verlinkungen unterstrichen.

Das offenbar einzige Land in Europa, das Demokratie noch ernst nimmt, weil es seine Bevölkerung fragt, die Iren, haben sich ebenfalls gegen dieses Machwerk ausgesprochen.

Heute Morgen macht meine Haus- und Hofzeitung mal einmal nicht mit einem Fussballbild auf, sondern mit einer Europakarte, auf der die Länder der Gemeinschaft in treulichem Blau beieinander stehen und Irland in rot sich sozusagen “absprengt”. Und im Innenteil bekommen die Iren ihr Fett.

Da ist zum einen ein Knut Pries (aus Brüssel!), der unter dem Titel: “Ein schwarzer Freitag für Europa” seinen Kommentar zum Besten gibt:

Schwarzer Freitag in Europa
KNUT PRIES, BRÜSSEL

Mit dem Nein der Iren zur EU steckt die Europäische Union in einer noch größeren Krise als 2005 nach dem Scheitern der Verfassung in Frankreich und Holland.(In die sie sich selbst hineinbugsiert hat) Es ist ebenso eine Vermittlungs- wie eine Gestaltungskrise. Die Regierungen sind nicht mehr in der Lage, ihren Bürgern zu vermitteln, was sie – zu Recht – für einen Fortschritt halten.(Was genau daran ein Fortschritt sein soll, muss man mir noch “vermitteln”) Und ihnen fällt nicht mehr ein, wie sie die EU veränderten politischen Erfordernissen anpassen können.(Um welche veränderten politischen Erfordernisse geht es? Auch endlich “präventiv verteidigen” zu dürfen, wie das große Vorbild jenseits des Atlantiks? Die Todesstrafe im Kriegsfall wieder zu erlauben? - Achtung! Deutschland befindet sich im Krieg. Wer das nicht glaubt, soll mal mit den Familien derer reden, die im Kosovo, in Afghanistan oder im Kongo bei ihren Einsätzen ums Leben kamen.)

Natürlich handelt es sich auch (auch! wie überall woanders - aber da wird man nach guter alter demokratischer Art ja gar nicht - oder wie im Fall Frankreichs und Hollands nicht mehr - gefragt) um ein irisches Problem. Die Insel ist der einzige EU-Staat, der EU-Verträge den Bürgern vorlegen muss (was für ein Quatsch, in einer Demokratie die Bürger fragen? Was soll das denn?). Von denen dann weniger als die Hälfte von ihrem Stimmrecht Gebrauch macht, während ein gut Teil der anderen nicht wirklich weiß, worum es geht, oder sich darum nicht schert (Im Gegensatz zu unseren Abgeordneten, die natürlich alle den Vertrag nicht nur gelesen, sondern in seinen einzelnen Punkten auch komplett verstanden haben. Fragt euren Abgeordneten doch mal, was alles so drinsteht in dem Werk). Von denen hängt ab, wie durchschlagskräftig (durchschlagskräftig, aha. Das Wort hat Siggi Freud wohl diktiert…) der politische Verbund einer halben Milliarde Menschen ist (klingt viel? Ein Drittel der chinesischen Bevölkerung könnte man auch sagen, das entschärft es wieder) .

Wirksamer kann man der Demokratie keinen Rufschaden verpassen (…als in allen anderen Ländern das Volk gar nicht erst abstimmen zu lassen! D’accord, Herr Pries). Schadensbegrenzung durch den Abschluss der Ratifizierung in den 26 anderen EU-Staaten reicht nicht. Nötig ist eine Generalrevision der Verfahren. Die institutionelle Fortentwicklung der EU muss davon unabhängig gemacht werden, wie hoch gerade der Verdrossenheitspegel in einem Mitgliedsstaat ist (Anders ausgedrückt: Unabhängig davon gemacht werden, was das Volk will - der Plebs ist ja nur mies gelaunt. Wichtige Entscheidungen muss die Politik OHNE das Volk treffen dürfen. Das ist die Aussage des Herrn Pries und das bedeutet “mehr Demokratie” in Europa!). Jenseits von Geschäftsordnungsfragen müssen hingegen die Bürger stärker an der politischen Ausrichtung ihrer Union beteiligt werden (Das hat der scheidende amerikanische Präsident einst viel treffender formuliert, wenn er sich auch bei seinem letzten Deutschlandbesuch davon wieder distanziert hat: “Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns!” Eben doch alles Terroristen, außer der Minderheit, die die undemokratischen Entscheidungen mitträgt).

© 2008 Neue Westfälische
Bielefelder Tageblatt (MW), Samstag 14. Juni 2008

(Eingeschobene Kommentare in Klammern von mir, EuRo)

P. sagte: “Die machen doch sowieso was sie wollen.” Uh! Oh! Hoffentlich wird sie nicht von der Gedankenpolizei verhaftet.

Wer jetzt glaubt, das sei alles gewesen, kennt die Gütersloher(!) Presse nicht. In der Stadt Bertelsmanns meldet sich gleich auf der nächsten Seite Dominik Hierlemann von der Bertelsmann Stiftung zu Wort, was so nicht richtig ist: Die Neue Westfälische in persona Thomas Schöneich hat ihn interviewt:

„Einen neuen Vertrag halte ich für illusorisch“
Dominik Hierlemann über das Nein der Iren zur EU

Herr Hierlemann, warum ist das Referendum gescheitert?

DOMINIK HIERLEMANN: Die Kampagne der Befürworter begann zu spät und blieb zu unklar (seien Sie froh, sonst wäre das Votum vermutlich noch deutlicher ausgefallen). So konnte die Nein-Kampagne, getragen von einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung, eine Stimmung erzeugen, die sich nicht gegen den Vertrag von Lissabon richtete, sondern gegen eine EU, die immer stärker wird und scheinbar(scheinbar?) die irische Souveränität bedroht. Obendrauf kam eine wachsende Politikverdrossenheit der Iren (woraus die wohl resultiert?).

Gerade die Iren haben doch in den vergangenen Jahrzehnten sehr von der EU profitiert. Woher kommt diese Verdrossenheit?

HIERLEMANN: Oft werden EU- und Politikverdrossenheit in einen Topf geworfen, aber in der Tat ist es der EU nicht gelungen, Europa bürgernäher zu machen (Guck mal, sind wir doch einer Meinung). Das war das ursprüngliche Ziel des Verfassungsprozesses (was ja dann offensichtlich verfehlt wurde).

Was bedeutet die irische Ablehnung des Vertrags für Europa?

HIERLEMANN: Europa steckt wieder einmal in einer großen Krise (Wie hätte man das wohl verhindern können? Na?). Alle Optionen, die jetzt auf dem Tisch liegen, sind schwer umzusetzen (Ohne das dämliche Volk - pardon - den Souverän zu fragen, wäre es ein leichtes gewesen).

Was sind das für Optionen?

HIERLEMANN: Eine Möglichkeit wäre, den Vertrag neu auszuhandeln. Das halte ich für illusorisch (immerhin versteht den bestehenden ja schon kaum einer derer die ihn unterschrieben haben). Man könnte mit den Vertragsregeln für Nizza weiterarbeiten, die waren nur für 15 Staaten ausgelegt. Ein Kerneuropa, also die Gründung einer neuen Union, würde zu einer Spaltung von Europa führen. Deshalb bleibt nur eine Option: das Referendum zu wiederholen, aber mit der zusätzlichen Erklärung, dass die Souveränität Irlands, die Rechte, die es genießt, unangetastet bleiben.(Äh - hallo! Ich bin auch Bürger eines europäischen Landes. Noch dazu mit einer verteidigenswerten Verfassung. Was ist mit meiner Souveränität???)

Kann das Nein zu einem Bruch innerhalb der EU führen?

HIERLEMANN: Man wird den Iren nicht den Austritt nahelegen. Es gibt keinen Bruch zwischen den Mitgliedsstaaten, aber es gibt so etwas wie einen Bruch zwischen der politischen Klasse und den Bürgern (jetzt erst? Und das mit den Klassen hätte ich doch gerne noch mal genauer: Klassengesellschaft? Klassenkampf? Politische Klasse auf der einen versus das Volk auf der anderen Seite? Ach guck mal….! “….wÀre es nicht einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wÀhlte ein neues?”-Bert Brecht!).

Und wie ist der Bruch zu kitten?

HIERLEMANN: Man muss den mühsamen Weg weitergehen und den Bürgern verdeutlichen, was ihnen Europa bringt (notfalls mit der Androhung von Repressalien - geht in China doch auch - und die sind drei mal so groß). Vielleicht dauert das noch seine Zeit. Es muss klar werden, dass die Mitgliedsstaaten nur dann in der Welt eine Rolle spielen, wenn sie sich zusammenschließen (s.o.).

Wie geht’s jetzt weiter?

HIERLEMANN: Der Ratifizierungsprozess darf nicht abgebrochen werden. Und wenn am Ende 26 Staaten den Vertrag ratifiziert haben, dann muss man sehen, wie Irland wieder ins Boot geholt werden kann (genauso wie in Frankreich und Holland schlage ich vor: Gar nicht mehr fragen. “Nicht reden, handeln”).

Dominik Hierlemann arbeitet bei der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh. Er hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit der Lage in Irland beschäftigt. Mit ihm sprach Thomas Schöneich.

© 2008 Neue Westfälische
Bielefelder Tageblatt (MW), Samstag 14. Juni 2008

(Eingeschobene Kommentare in Klammern von mir, EuRo)
Wer Herrn Hierlemann genauer verstehen will, sollte sich das hier nicht ersparen: [X]

Man sollte noch wissen, dass die Bertelsmann Stiftung die Auffassung vertritt, Amerika habe als Hegemon verzockt. Der Dollar ist in absehbarer Zeit nicht zu retten und die Amis sind pleite. Aber sie sind in 99% aller Länder dieser Erde militärisch präsent. Das Vakuum, das Amerika bei einem Crash hinterlassen würde hätte eine Destabilisierung des ganzen Planeten zur Folge. Den Job muss jemand übernehmen. Die Chinesen wären bereit - aber es wäre doch besser für uns, wenn wir die Aufgabe übernähmen.

Und jetzt darf jeder für sich die Frage nach der Haut und dem Hemd stellen: Was ist näher? Also doch: “Auf in den Kampf?”

Da wird auf den Iren herumgeprügelt. Dabei haben die doch nur die Stimmung des Souveräns aller europäischen Länder wiedergegeben. Das “Deutschland” den Vertrag unterschrieben hat, bedeutet doch nicht, dass die Mehrheit seiner Bürger das Machwerk gegen seine, also unsere, Verfassung eintauschen wollen würde. Der Verfassung, in der völlig unzeitgemäß sowas drinsteht wie: “Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.” Wir sollten uns langsam daran gewöhnen, dass diese Zeit vorbei ist und P. recht hat:

“Die machen sowieso, was sie wollen.”

Gottseidank gibt es noch die Peter Gauweilers in diesem unseren Land: Toi, toi, toi!

Noch ‘ne Meinung:[X]

Und auch der Spiegelfechter meldete sich bereits gestern zu Wort:[X]

Auch meine Freunde feiern: [X]

Der hier auch:[X]

Und ein Zitat des luxemburgischen MinisterprÀsidenten Jean-Claude Juncker aus dem Jahr 1999:
„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine AufstÀnde, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt fÃŒr Schritt, bis es kein ZurÃŒck mehr gibt.”
(Jean-Claude Juncker erklÀrt seinen EU-Kollegen die Demokratie - SPIEGEL 52/1999)

Leave a Reply


XHTML: You can use these tags: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <code> <em> <i> <strike> <strong>


kostenloser Counter